Mittwoch, 25. Dezember 2013

Besuch in Babanki




Es ist Samstag und mal wieder sitzten wir zusammengezwengt in einem kleinen Taxi. Unser Ziel heißt Babanki und ist das Dorf von Niclas´ Lehrerkollegen Mr. Roland. Mr. Roland hat uns eingeladen seine Familie dort zu besuchen und er möchte uns mit auf seine Felder nehmen, damit wir das ländliche Leben in Kamerun kennenlernen.

Schon auf der Hifahrt entdecken wir viel Überraschendes wie dieses Motoradtaxi mit auffälligem Gepäck. Für Kamerun ist dies allerdings völlig normal.


  
Angekommen in Babanki werden wir von vielen neugierigen Blicken empfangen. Viele Weiße verirren sich wohl nicht in diese Gegend, die egal mit welchem Verkehrsmittel schwer zu erreichen ist, da die Straßen holprige und in der Trockenzeit staubige Lehmpisten sind, auf denen man im Auto schnell mal Seekrank werden kann.
"Trunleinle!", grüßen wir die neugierigen Menschen im lokalen Dialekt. "Leinle", antworten sie und lachen darüber, dass diese Whiteman in ihren Dialekt grüßen. In Kamerun gibt es über 200 verschiedene Sprachen und Dialekte, die wohl kein Mensch jemals alle lernen kann. Viele Kameruner aus den englischsprachigen Provinzen Nordwest und Südwest sind so von klein auf dreisprachig: Ihre Eltern sprechen mit ihnen im Dialekt und/oder auf Pidgin, mit Freunden redet man auf Pidgin und in der Schule ist nur Englisch erlaubt.

Nachdem wir Mr. Rolands Familie kennen gelernt haben und Haus und Hof besichtigt, schlägt er für uns etwas Zuckerrohr zur Stärkung nach der anstrengenden Fahrt.

So gestärkt geht es raus auf die Felder. Da diese Bereiche für praktisch keine Fahrzeuge mehr zugänglich sind, tragen die Menschen alle für die Landarbeit benötigten Gegenstände sowie später die Ernte auf dem Kopf. 
Wir streifen durch die fruchtbaren grünen Hügel von Nordwest-Kamerun ausgerüstet mit Macheten, Säcken und Sonnencreme, denn selbst durch die Wolken brennt die Sonne hier sehr.


Bei diesem Bild wird wohl klar, was ich meinte mit "hier können keine Fahrzeuge fahren".
Rein in den Busch!


Nach einer halben Stunde Fußmarsch über Stock und Stein erreichen wir die Felder von Mr. Rolands Familie. Sie liegen ausgestreckt über den Hügeln, teilweise in den Tälern, teilweise bis hoch oben auf den Spitzen. Unser Freund führt uns durch ein besonders unwegbares Gelände und der Weg ist nur noch ein Trampelpfad im Gebüsch. Schließlich erreichen wir den Ort, den er uns zeigen wollte:
Eine Höhle im Fels, vor der ein Wasserfall einen kleinen Teich füllt.

Mr. Roland erzählt uns, in dieser Höhle habe sein Ururgroßvater vor vielen Jahren gelebt. In einer Zeit, als es in Kamerun noch kaum Infrastruktur und Städte gab, sei dieser als erster in dieses Gebiet gekommen und habe sich diese Höhle zu seiner vorläufigen Bleibe ausgesucht. Es ist auch sehr praktisch: Man ist geschützt vor dem Wetter, hat ständig frisches Wasser und kann sich in den Hügeln rundherum Nahrung beschaffen. Doch als dann die Deutschen gekommen seien und überall Straßen gebaut haben, sei auch sein Ururgroßvater in ein Dorf gezogen.



Ein kleines Stück hinter der Höhle bekommen wir Mr. Rolands Bienenstöcke zu sehen. Honig sei ein guter kleiner Nebenerwerb. Eine der Bienen, die übrigens genauso aussehen wie unsere Zuhause, setzt sich auf mein rosa T-Shirt. "Zu jener Zeit, als mein Ururgroßvater hier lebte, soll es geheißen haben: Wenn eine Biene auf einem landet, bedeutet das Glück. Vielleicht komme bald ein Deutscher vorbei", und Mr. Roland lacht uns an.

Die Kolonialherrschaft von Deutschland über Kamerun ging von etwa 1880 bis zum 1. Weltkrieg. Im allgemeinen Gedächtnis der Kameruner scheint diese Zeit in positiver Erinnerung erhalten zu sein. Ich habe schon viele Leute sagen hören: "Ja, die Deutschen waren früher hier. Die haben viele Straßen gebaut und eine Eisenbahn. Die waren viel besser für uns als die Franzosen und Engländer!"

Man merkt schnell, wie sehr das Land unter dem jahrzentelangen Einfluss aus England und Frankreich gelitten hat. Besonders die französische Herrschaft wird von vielen sehr negativ bewertet. Kameruns eigene Kultur und Traditionen wurden unterdrückt und ihren neue Lebensweisen aufgezwängt, wie bespielsweise das Christentum. Dieses ist zwar mittlerweile tief verwurzelt in großen Teilen des Landes und findet weit mehr Unterstützung und Anhänger als in Europa heute, und doch wirken viele Aspekte wie aufgesetzt (bespielsweise das Aufstellen von kitschigen Plastikchristbäumen zu Weihnachten. Diese Tradition wurde einfach übernommen, obwohl es hier nicht einmal Tannenbäume gibt und die Menschen mit diesem Baum nichts verbinden, im Gegensatz zu Europäern, die ihn feiern, weil er im Winter grün ist. Doch da es hier gar keinen Winter gibt, ergibt das alles wenig Sinn und die Menschen stellen die Bäumchen zwar auf, indentifizieren sich aber nicht wirklich damit)
Es ist nun nicht so, dass die Deutschen damals nicht genauso gehandelt hätten, aber es liegt vermutlich an der Menge an nützlichen Dingen wie Straßen, die die Deutschen in kurzer Zeit gebaut haben, weshalb sie in so positivem Licht dastehen.


Wir verlassen die Höhle und klettern einen Hang hinauf, immer höher und höher, bis wir eine kleine Hütte erreichen. In diesem Unterschlupf aus einer Palmenart namens "Raffia" habe Mr. Rolands Großvater früher geschlafen, um seine Felder zu bewachen. Kam nachts jemand, um von der Ernte der Familie zu stehlen, sprang der Mann auf und verscheuchte die Eindirnglinge mit seinem Gewehr.
Wir können diese Vorsicht gut verstehen, bei all den feinen Dingen die hier gedeien.
Mitten im hohen Gras entdeckt Niclas einen Maracujastrauch und dann noch einen und noch einen!
Bald pflücken wir alle munter Maracuja und dürfen auch probieren.

Maracujablüte
Maracuja am Strauch










Weiter geht es den Hügel hinauf und bald kann man über die ganze Landschaft blicken. Weite grüne Hügel, überall Felder und kleine Punkte, Menschen, die darauf arbeiten.
"So, da sind wir. Das ist unser Karottenacker. Nur keine Müdigkeit vorschützen. Zieht sie raus!"

Und so wühlen wir uns durch die weiche Erde und ernten die dicken Karotten. Ich laufe mittlerweile Barfuß, da meine Flipflops sich nicht als das geeignete Schuhwerk für dieses Gelände herausgesellt haben. Aber der Boden ist weich und so macht das Arbeiten richtig Spaß.

 

Auf dem Rückweg blitzt plötzlich gelbes Plastik im Gebüsch. Mr. Roland erklärt uns, dass dieser Umhang den Feldarbeitern in der Regenzeit als Schutz dienst, denn das nächste Dorf und damit der nächste Unterstand sind eine Stunde Fußmarsch entfernt.



Den Schweren Sack mit Karotten und auch den Zwiebeln und dem Lauch, die wir noch geerntet haben, trägt Niclas für uns auf die afrikanische Weise ins Tal.