Mittwoch, 25. Dezember 2013

Besuch in Babanki




Es ist Samstag und mal wieder sitzten wir zusammengezwengt in einem kleinen Taxi. Unser Ziel heißt Babanki und ist das Dorf von Niclas´ Lehrerkollegen Mr. Roland. Mr. Roland hat uns eingeladen seine Familie dort zu besuchen und er möchte uns mit auf seine Felder nehmen, damit wir das ländliche Leben in Kamerun kennenlernen.

Schon auf der Hifahrt entdecken wir viel Überraschendes wie dieses Motoradtaxi mit auffälligem Gepäck. Für Kamerun ist dies allerdings völlig normal.


  
Angekommen in Babanki werden wir von vielen neugierigen Blicken empfangen. Viele Weiße verirren sich wohl nicht in diese Gegend, die egal mit welchem Verkehrsmittel schwer zu erreichen ist, da die Straßen holprige und in der Trockenzeit staubige Lehmpisten sind, auf denen man im Auto schnell mal Seekrank werden kann.
"Trunleinle!", grüßen wir die neugierigen Menschen im lokalen Dialekt. "Leinle", antworten sie und lachen darüber, dass diese Whiteman in ihren Dialekt grüßen. In Kamerun gibt es über 200 verschiedene Sprachen und Dialekte, die wohl kein Mensch jemals alle lernen kann. Viele Kameruner aus den englischsprachigen Provinzen Nordwest und Südwest sind so von klein auf dreisprachig: Ihre Eltern sprechen mit ihnen im Dialekt und/oder auf Pidgin, mit Freunden redet man auf Pidgin und in der Schule ist nur Englisch erlaubt.

Nachdem wir Mr. Rolands Familie kennen gelernt haben und Haus und Hof besichtigt, schlägt er für uns etwas Zuckerrohr zur Stärkung nach der anstrengenden Fahrt.

So gestärkt geht es raus auf die Felder. Da diese Bereiche für praktisch keine Fahrzeuge mehr zugänglich sind, tragen die Menschen alle für die Landarbeit benötigten Gegenstände sowie später die Ernte auf dem Kopf. 
Wir streifen durch die fruchtbaren grünen Hügel von Nordwest-Kamerun ausgerüstet mit Macheten, Säcken und Sonnencreme, denn selbst durch die Wolken brennt die Sonne hier sehr.


Bei diesem Bild wird wohl klar, was ich meinte mit "hier können keine Fahrzeuge fahren".
Rein in den Busch!


Nach einer halben Stunde Fußmarsch über Stock und Stein erreichen wir die Felder von Mr. Rolands Familie. Sie liegen ausgestreckt über den Hügeln, teilweise in den Tälern, teilweise bis hoch oben auf den Spitzen. Unser Freund führt uns durch ein besonders unwegbares Gelände und der Weg ist nur noch ein Trampelpfad im Gebüsch. Schließlich erreichen wir den Ort, den er uns zeigen wollte:
Eine Höhle im Fels, vor der ein Wasserfall einen kleinen Teich füllt.

Mr. Roland erzählt uns, in dieser Höhle habe sein Ururgroßvater vor vielen Jahren gelebt. In einer Zeit, als es in Kamerun noch kaum Infrastruktur und Städte gab, sei dieser als erster in dieses Gebiet gekommen und habe sich diese Höhle zu seiner vorläufigen Bleibe ausgesucht. Es ist auch sehr praktisch: Man ist geschützt vor dem Wetter, hat ständig frisches Wasser und kann sich in den Hügeln rundherum Nahrung beschaffen. Doch als dann die Deutschen gekommen seien und überall Straßen gebaut haben, sei auch sein Ururgroßvater in ein Dorf gezogen.



Ein kleines Stück hinter der Höhle bekommen wir Mr. Rolands Bienenstöcke zu sehen. Honig sei ein guter kleiner Nebenerwerb. Eine der Bienen, die übrigens genauso aussehen wie unsere Zuhause, setzt sich auf mein rosa T-Shirt. "Zu jener Zeit, als mein Ururgroßvater hier lebte, soll es geheißen haben: Wenn eine Biene auf einem landet, bedeutet das Glück. Vielleicht komme bald ein Deutscher vorbei", und Mr. Roland lacht uns an.

Die Kolonialherrschaft von Deutschland über Kamerun ging von etwa 1880 bis zum 1. Weltkrieg. Im allgemeinen Gedächtnis der Kameruner scheint diese Zeit in positiver Erinnerung erhalten zu sein. Ich habe schon viele Leute sagen hören: "Ja, die Deutschen waren früher hier. Die haben viele Straßen gebaut und eine Eisenbahn. Die waren viel besser für uns als die Franzosen und Engländer!"

Man merkt schnell, wie sehr das Land unter dem jahrzentelangen Einfluss aus England und Frankreich gelitten hat. Besonders die französische Herrschaft wird von vielen sehr negativ bewertet. Kameruns eigene Kultur und Traditionen wurden unterdrückt und ihren neue Lebensweisen aufgezwängt, wie bespielsweise das Christentum. Dieses ist zwar mittlerweile tief verwurzelt in großen Teilen des Landes und findet weit mehr Unterstützung und Anhänger als in Europa heute, und doch wirken viele Aspekte wie aufgesetzt (bespielsweise das Aufstellen von kitschigen Plastikchristbäumen zu Weihnachten. Diese Tradition wurde einfach übernommen, obwohl es hier nicht einmal Tannenbäume gibt und die Menschen mit diesem Baum nichts verbinden, im Gegensatz zu Europäern, die ihn feiern, weil er im Winter grün ist. Doch da es hier gar keinen Winter gibt, ergibt das alles wenig Sinn und die Menschen stellen die Bäumchen zwar auf, indentifizieren sich aber nicht wirklich damit)
Es ist nun nicht so, dass die Deutschen damals nicht genauso gehandelt hätten, aber es liegt vermutlich an der Menge an nützlichen Dingen wie Straßen, die die Deutschen in kurzer Zeit gebaut haben, weshalb sie in so positivem Licht dastehen.


Wir verlassen die Höhle und klettern einen Hang hinauf, immer höher und höher, bis wir eine kleine Hütte erreichen. In diesem Unterschlupf aus einer Palmenart namens "Raffia" habe Mr. Rolands Großvater früher geschlafen, um seine Felder zu bewachen. Kam nachts jemand, um von der Ernte der Familie zu stehlen, sprang der Mann auf und verscheuchte die Eindirnglinge mit seinem Gewehr.
Wir können diese Vorsicht gut verstehen, bei all den feinen Dingen die hier gedeien.
Mitten im hohen Gras entdeckt Niclas einen Maracujastrauch und dann noch einen und noch einen!
Bald pflücken wir alle munter Maracuja und dürfen auch probieren.

Maracujablüte
Maracuja am Strauch










Weiter geht es den Hügel hinauf und bald kann man über die ganze Landschaft blicken. Weite grüne Hügel, überall Felder und kleine Punkte, Menschen, die darauf arbeiten.
"So, da sind wir. Das ist unser Karottenacker. Nur keine Müdigkeit vorschützen. Zieht sie raus!"

Und so wühlen wir uns durch die weiche Erde und ernten die dicken Karotten. Ich laufe mittlerweile Barfuß, da meine Flipflops sich nicht als das geeignete Schuhwerk für dieses Gelände herausgesellt haben. Aber der Boden ist weich und so macht das Arbeiten richtig Spaß.

 

Auf dem Rückweg blitzt plötzlich gelbes Plastik im Gebüsch. Mr. Roland erklärt uns, dass dieser Umhang den Feldarbeitern in der Regenzeit als Schutz dienst, denn das nächste Dorf und damit der nächste Unterstand sind eine Stunde Fußmarsch entfernt.



Den Schweren Sack mit Karotten und auch den Zwiebeln und dem Lauch, die wir noch geerntet haben, trägt Niclas für uns auf die afrikanische Weise ins Tal.




 

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Audienz beim König

Als wir an diesem Nachmittag auf dem Vorplatz des Palastes stehen, sind die Vorbereitungen für die Feier schon fast abgeschlossen. Menschen versammeln sich um zu zusehen, teilzunehmen, zu helfen. Der Anlass? Der alte Fon ist im Alter von 85 Jahren gestorben. Einer seiner Söhne ist zum neuen Fon auserkoren worden und wird nun 3 Wochen lang gefeiert und im Amt begrüßt. Was ein Fon ist? Fons sind die regionalen Chefs oder auch traditionellen Könige etwa landkreisgroßer "Königreiche". In früheren Zeiten war ganz Kamerun unter solchen Chefs aufgeteilt, heute gibt es sie nur noch im Westen Kameruns und auch ihre Macht ist eingeschränkter als früher. Und doch wird ihnen bis heute sehr großer Respekt entgegen gebracht. Kein Kameruner würde dem Fon wiedersprechen.


Wir gehen auf den Eingang zu und dort ist eine Bühne aufgebaut. Etwas hilflos sehen wir uns nach Madame Ngorang um. Sie ist die Direktorin der Vorschule, in der Nora im Moment arbeitet, und hat uns eingeladen heute zum Palast zu kommen, da sie eine der zahlreichen Töchter des alten Fons ist.
 Fons haben traditionell viele Frauen zur selben Zeit. Die erste Frau wird ihm "geschenkt" und danach kann er so viele Weitere heiraten, wie er will und bezahlen kann. Der Fon muss nämlich für jede seiner Frauen Haus und Lebensunterhalt gewährleisten, ebenso für jedes seiner Kinder, die, entsprechend der Anzahl der Frauen, sehr zahlreich sein können.
"Wie viele Geschwister hast du?", hatte Nora Madame Ngorang gefragt. "Keine Ahnung, ich kann sie nicht zählen. Es sind zu viele.", war ihre Antwort gewesen mit einem Schulterzucken und einem Lachen.
Polygamie gehört zur kamerunischen Tradition. Früher hatte jeder Mann, der etwas auf sich hielt, mehrere Frauen. So demonstrierten sie ihre Stärke und vor allem ihren Reichtum. Doch nur ein Fon kann es sich leisten 15 Frauen zu haben und zu ernähren (so viele hatte der alte Fon).
Heute kommt Polygamie in Kamerun allerdings nur noch in der jetzigen Großelterngeneration vor oder im wenig entwickelten Norden des Landes. Die meisten Kameruner lehnen diese Praxis der Ehe strickt ab und es gibt auch Fons, die nicht mehr als eine Frau heiraten wollen.

Der neue, junge Fon "erbt" die Frauen seines Vorgängers und muss weiterhin für sie sorgen. Ein neuer Fon muss übrigens nicht zwingend der erstgeborene Sohn sein, sonder derjenige, der am besten in das Amt passt.

Plötzlich kommt eine kleine, ältere Frau in einem gelbgrünen Kabba (traditionelles, weites Kleid) winkend auf uns zu. Es ist Noras Direktorin und wir begrüßen sie, indem wir die Hand, die wir ihr geben, mit der linken am Ellenbogen berühren. Die Geste zeigt ihr unseren Respekt.

Schnurschracks führt sie uns zu ein paar Plastikstühlen links neben einem abgesperrten Bereich auf der Bühne. Sie platziert uns auf diesem Podium in der ersten Reihe direkt neben dem Bürgermeister von Bamenda 3. Er ist unter anderem zuständig für den Stadtteil "Nkwen", in dem wir uns grade befinden und in dem wir auch wohnen. Was für eine Ehre für uns, die besten Plätze zugewiesen zu bekommen. Erst haben wir Angst, es wäre nur, weil wir Weiße sind, doch später erfahren wir, dass man allen Gästen solche großen Ehren entgegenbringt. 

"Wenn der Fon aus dem Palast kommt, stehen alle auf, um ihm Repekt zu zollen. Wenn er sich setzt, dürft ihr euch setzen. Wenn er wieder aufsteht, steht ihr mit auf.", lautet die letzte Anweisung von Madame Ngorang, bevor sie zurück zu ihren Schwestern eilt, um ihren Platz unter den Prinzessinen wieder einzunehmen. 


Dort sitzen sie in einer Reihe, junge bis sehr alte Töchter des Fons und alle mit gelben Kabbas und geschorenen Haaren. Die Glatze haben sie sich als Zeichen der Trauer und der Ehrerbietung nach dem Tod ihres Vaters machen lassen.

Dann verstummt plötzlich die Musik, die bis eben aus den großen Lautsprechern vor der Bühne drang, und alle erheben sich. Der Fon betritt mit seiem Gefolge den Platz, schreitet zur Bühne und setzt sich auf seinen großen, hölzernen Thron.

Ein Moderator kündigt per Mikrofon an, dass verschiedene traditionelle Tanzgruppen dem Fon mit ihren Darbietungen ihre Ehre erweisen wollen. 
Eine Gestalt rennt über den Platz bis vor die Absprerrung vor der Bühne, stellt einen hölzernen Elefanten vor sich ab, stützt sich auf ihren Gehstock
und verbeugt sich tief.


In dieser Position sehen wir sehr genau die Maske, die der Mann trägt.
Er ist ein Gugu.

Gugus sind im traditionellen Glauben Geister, die in der Landschaft und der Natur leben, jedoch auch gestalt annehmen können. Jeder Gugu hat seine eigene Persönlichkeit und verärgert man einen von ihnen, kommt er zu einem nach Hause und macht, dass es einem schlecht geht. 

So wie die Gugus ihre bestimmten Charaktereigenschaften haben, müssen auch die Tänzer, die eines dieser Wesen verkörpern, die selben Eigenschaften haben. Für jeden Gugucharackter wird ein passender Tänzer ausgesucht und dieser tanzt nur noch den einen Geist für den Rest seines Lebens. Es gibt auch Gugus, die nicht "besetzt" sind, da kein Tänzer den Anforderungen entsprach.

So verschieden wie die Gugus sind auch die Köstüme und Masken, die die Tänzer tragen.






Diese hier haben eine wolfsähnliche Gestalt angenommen.





Diese sind Vögel (in der Mitte)

oder sogar Elefanten (vorne rechts)





Andere sehen dann tatsächlich aus wie Geister mit weit aufgerissenen Augen und offenen Mündern.








Im Hintergrund der letzten Bilder konntet ihr schon einen Blick auf die bunten und wild gemusterten Gewänder der Männer erhaschen. Einfabige oder gar schwarze afrikanische Stoffe gibt es praktisch nicht. Doch die traditionellen Gewänder speziell aus dem Nordwesten Kameruns sind nur die schwarz-weiß-orange-grünen Mäntel, wie diese Herren sie tragen.


Auf dem Kopf trägt man hier die traditionelle "Country Cap".
Es gibt sie in allen Formen und Farben, von schlicht schwarz-weiß bis groß, bunt und voller Fransen.
Die aufwendigeren Kappen stellen häufig starke Tiere dar, wie Elefanten, deren Kraft durch die Kappe auf den Träger übergeht. 

Wer errät, welches Tier dieses tanzende Kollege verkörpert?


Eine der Gruppen tanzt bis vor die Absperrung nach vorne und verbeugt sich immernoch tanzend.
Der Fon ist so entzückt von ihrer Darbietung, dass er aufsteht und mittanzt. Er tanzt mit! Das ist eine ziemliche Ehre für die Tanzgruppe. Für uns bedeutet das: Stehen, bis der Fon sich wieder setzt.


Die nächste Gruppe kommt mit Gewehren. Sie präsentieren sie erst tanzend, dann schießen sie in die Luft. Die alten Flinten rauchen ordentlich und machen noch mehr Lärm. 


Jedes Mal, wenn eine Gruppe Gewehre dabei hat und zu Ehren des Fons schießt, steht er auf (wir also auch - es ist ein ewiges Auf und Ab), nimmt sein Gewehr und schießt genau so oft in die Luft, wie seine Untertahnen es eben getan haben.

  

Auch der Bürgermeister erwidert die Schüsse und schon bald pfeifen uns ordentlich die Ohren von dem ständigen ohrenbetäubenden Knallen.


Anderthalb Stunden lang tanzen die verschiedensten Gruppen vor.
Eine Frauengruppe fällt uns in´s Auge, weil sie so fröhlich mit ihren bunten Staubwedeln wedeln.


 Einige Tänzer haben die traditionelle Form des Wedels dabei: Ein Strang aus Tierhaaren mit einem bunten Griff.
Dieser wird schwungvoll herumgewedelt oder sich sanft auf die Schulter gehauen.
Dieser Gegenstand soll Macht symbolisieren.


Als es langsam dunkel wird, verlässt die letzte Gruppe die Tanzfläche. Der Fon erhebt sich mit seinem Gefolge und verschwindet im Palast.
 Langsam verstreuen sich die Menschen. Morgen werden sie wieder kommen. 3 Wochen lang, jeden Tag ein Fest für den neuen Fon!

Zum krönenden Abschluss eine Rahrität:
Ein Bild vom Fon aus nächster Nähe!



Montag, 2. Dezember 2013

Welt-Aids-Tag

1.Dezember 2013
Bamenda, Kamerun
28 °C

Am Sonntag um 11Uhr standen wir vier Freiwilligen auf dem Gelände der Cameroon Baptist Convention Mbingo Anex. Wir wussten, dass heute eine Parade durch die Straßen geplant war, um die Bevölkerung für HIV/Aids zu sensibilisieren und auf die kostenlosen HIV-Tests zum Welt-Aids-Tag aufmerksam zu machen.
Doch was uns genau erwartete wussten wir nicht.

Das erste, was geschah, war, dass man jedem von uns ein T-Shirt und ein Plakat in die Hand drückte. 

"Echte Männer gehen mit ihrer schwangeren Frau zum Frauenarzt!"

" Null neue Ansteckungen!
Keine Diskriminierung!
Null Todesfälle durch Aids!
Null Übertragungen!"


Dann ertönen plötzlich Trompeten und Trommeln und die Masse setzt sich in Bewegung.

Wir ziehen durch die Straßen und die Sonne brennt uns auf den Kopf, erbahmungslos.
Viele Mitarbeiter sind an ihrem freien Sonntag gekommen, um zu marschieren.
Wir bilde einen langen Zug, der gar nicht übersehen werden kann.
Vor allem nicht wegen den vielen Motorrädern, die uns voranfahren und ordentlich
hupen und Krach machen


Viele Menschen kommen aus ihren Häusern oder bleiben stehen. Die Taxifahrer verränken sich im Vorbeifahren ihre Hälse und kleine Kinder starren uns mit großen Augen an, als sie uns sehen.
Das mit dem aufmerksam machen hat schonmal geklappt!




Auf einem Tankstellenplatz versammeln wir uns und eine Mitarbeiterin spricht zu den Menschen:

"Macht einen HIV-Test! Euren Status zu kennen, kann euer Leben retten!"





Unser Marsch steht vor allem unter dem Motto:
"Verhinderung der Übertragung von der Mutter zum Kind."
(das steht auch hinten auf unseren Shirts)


Es tut mir im Herzen weh bei uns im Gesundheitszentrum Mütter mit kleinen Kindern auf dem Arm zu sehen und zu wissen, dass sie beide mit dem Virus infiziert sind. Ein zweijähriger Junge hat nun wirklich nichts getan, um sich das zu verdienen.
Zum Glück wurde in der Hinsicht schon viel getan in Kamerun. In den Städten besuchen fast alle schwangeren Frauen Schwangerschaftskliniken, in denen sie beraten werden. Ist eine Mutter HIV-Positiv werden ihre Medikamente demetsprechend umgestellt und es werden Maßnahmen ergriffen, wie zum Beispiel Geburt durch Kaiserschnitt. 
So konnte die Übertragung des Virus von der Mutter zu ihrem Kind in den letzten Jahren schon um einiges eingegrenzt werden.
Leider ist in Kamerun wie in vielen Ländern der Welt das Problem, dass es in dörflichen Regionen meist weder Aufkärungskampagnen noch ärztliche Versorgung im Allgemeinen gibt. 
Deshalb liegt wohl noch ein langer Weg vor diesem Land bis das gesteckte Zeil erreicht wird:
Keine neuen Ansteckungen!

Doch bis dahin engargieren sich Gesundheitsverbände und andere Hilfsorganisationen weiter, um aufzuklären und so Kamerun, Afrika und die Welt von diesem Virus zu befreien.
Wir tragen mit diesem Marsch unseren kleinen Teil dazu bei und haben sogar richtig Spaß!
                                             



Vincent und Ich

Vincent ist Leiter der YoNeFoH-Abteilung im CBC, dem Gesundheitszentrum. Vom Youth Network for Health handelt ein früherer Eintrag.








Nach dem Marsch versammeln sich alle wieder auf dem Gelände der Cameroon Baptist Convention (CBC). Wir sind froh aus der Sonne zu kommen, aber auch glücklich, dass die Aktion so gut verlaufen ist.


Donnerstag, 28. November 2013

Solche Strolche!

Es ist jetzt fast 1. Advent und das Wetter ist immernoch blendend in Bamenda. 25 Grad und Sonnenschein jeden Tag, das gefällt auch dem kleinen Sir Etzhart. Munter tollt er mit seinen Schwestern über unsere Terasse und mittlerweile auch durch den ganzen Garten. Die Kleinen haben endlich die Augen aufgemacht und das Laufen gelernt. Noch etwas wackelig auf den Beinen wird jetzt alles erkundet...und in alles gebissen, was nicht niet und nagelfest ist!





Da möchte wohl jemand seiner Mama das wohlverdiente Mittagessen nicht gönnen.


Jetzt erstmal Mittagspause.


 Niclas mit der kleinen "Hexe". Dies ist aber noch nicht ihr endgültiger Name, wir wollen herausfinden was "Hexe" auf den regionalen Dialekten heißt und sie dann etwa "Gugu" nennen 
(das ist Banso für Hexe).
 Falls sich jemand fragt "Wieso Hexe?": Das Mädchen wurde mit 6 Zehen an einem Hinterfuß geboren. Das sieht unausweichlich ziemlich unheimlich aus...


Geschlafen wird eher selten. Die meiste Zeit wird herumgequiekt und den Besitzern auf die Nerven gegangen....


 ...oder sich im Gebüsch versteckt...

 

 ...oder einfach gespielt und sich herumgerollt!


Montag, 18. November 2013

Nerven aus Stahl

Wenn etwas schief geht, dann geht gleich alles schief. Man kennt das ja.
Gestern bekamen wir das volle Programm an Dingen zu spüren, die schief laufen können, wenn man in Kamerun mit öffentlichen Fernbussen reist.
Ein prägendes Erlebnis.



Wir hatten das Wochenende in Duala, der schhwülheißen Wirtschaftsmetropole des Landes, verbracht, um ein Seminar zu besuchen. Am Sonntagmorgen wollten wir früh hoch, damit wir uns um 6 Uhr ein Ticket für einen der kompfortalbleren aber auch geringfügig teureren Busse kaufen könnten. Leider versagte der Wecker und so rüttelte mich Nora um 6.20 Uhr wach: "Annelie, aufstehen, wir haben verschlafen!"
Schnell im Halbschlaf alle Sachen zusammengepackt und dann auf dem Motorradtaxi durch die erwachenden Straßen von Duala bis zum Busbahnhof. Dort angekommen - es war s7.00 Uhr - mussten wir feststellen, dass alle Plätze in den kompfortablen Bussen bereits belegt waren. Die nächste Abfahrt eines der "normalen" Busse, war in drei Stunden.
Jetzt hieß es also warten und erstmal in Ruhe frühstücken.

Gegen 10.00 begann der Busfahrer auf einmal wie wild zu hupen.
"Ohh man, was soll das denn?", meine müden Ohren konnten solchen Krach nur schwer ertragen. "Ich glaube, er will, dass wir einsteigen", erklärte Niclas und so suchten wir unsere nebeneinanderliegenden Plätze im Bus. Eine halbe Stunde dauerte es noch, bis der Bus sich bewegte. Alle Insassen waren bereits komplett durchgeschwitzt, wegen der stickigen Hitze, die ohne den Wind von draußen noch erdrückender wurde. Ein Baby direkt hinter mir schrie sich die Seele aus dem Leib. Ihm war offensichtlich viel zu heiß, doch was sollte die Mutter tun?
Endlich rollten wir vorwärts. Einen Meter, zwei Meter, stopp.
Der Busfahrer sprang aus seiner Kabine und legte sich halb unter den Bus. Kurze Zeit später hieß es:" Alle raus! Reifenpanne."

"Das hätte ja auch nicht schonmal früher auffallen können, oder?", schienen alle Fahrgäste zu denken. Aber es änderte ja doch nichts und so warteten wir eine weitere Stunde, bis der Bus startklar war.
Als der Busfahrer zum zweiten Mal alle Tickets kontrollieren wollte, gab es einen riesigen genervten Aufschrei. Fahrgäste beschwerten sich, sie würden nicht noch mehr Zeit vergeuden wollen und endlich losfahren. Ich konnte ihren Ärger gut verstehen.

Nach kurzer Zeit fuhren wir tatsächlich los. Fast drei Stunden lang kamen wir zügig vorann und der Busfahrer trat ordentlich auf´s Gas, um die entstandene Verspätung wieder rauszuholen. Das Kind hinter mir schlief jetzt ruhig im kühlen Fahrtwind.
Es wäre wohl zu einfach gewesen, wären wir nun ohne weiteres nach Bamenda gekommen...
Plötzlich wurde der Bus langsamer und hier schließlich mitten auf der Landstraße an. Der Motor war einfach ausgegangen. Der Busfahrer versuchte ihn neu zu starten, doch er sprang nicht an. Ein lautes Rattern war zu hören und neben unserem Fenster stieg schwarzer Rauch auf. "Oh nein, das sieht gar nicht gut aus." Wir hatten alle die selbe Angst: Stundenlang in der Pampa in der Hitze zu stehen und auf irgendeine Hilfe zu warten. Unglücklicherweise waren wir in diesem Moment von beiden größeren Städten - Duala und Bamenda- genau drei Stunden entfernt. Ich war mir sicher, dass der gesamte Bus in diesem Moment Stoßgebete zum Himmel sendete.
Nach einiger Zeit hatte der Busfahrer eine neue Taktik entwickelt. Er fuhr langsam rückwärts den sanften Hügel hinunter, auf dem wir uns befunden hatten. Eine tollkühne Aktion, wenn man bedenkt, dass der Bus anstelle einer Heckscheibe eine schwarze Wand und dazu nur zwei winzige Rückspiegel besaß, von denen einer zersprungen war.
"Ich hab Angst", sagte ich zu den anderen, als wir an dem kurzen aber steilen Abhang neben uns entlangmanövrierten. "Wieso tut er das?", wollte Caro wissen.
Dann wurde es klar: Als wir ein waagerechtes Stück Straße erreicht hatten, startete der Busfahrer einen neuen Versuch, sein Fahrzeug ebenerdig zum Laufen zu bringen. Der Motor heulte lauf auf. Der gesamte Bus ruckelte so stark, dass wir auf unseren Sitzen hin und her tanzten. Und dann: Fuhr der Bus los.
Was für eine Erleichterung! Zuerst kamen wir zwar nur sehr langsam voran, doch der alte, den Beschriftungen auf den Fenstern nach zu urteilen aus Frankreich stammende Bus schaffte den Hügel. Wir blieben jetzt zwar alle paar Kilometer einmal liegen, doch ich war zufrieden, solange es überhaupt voran ging. Die Leute um uns herum scherzten:"Das Geruckel hat auch gute Seiten: Wenn du hochschwanger auf dem Weg zum Krankenhaus bist, kannst du bei dem Geschaukel dein Baby gleich im Bus kriegen." "Einmal gab es ein Mädchen, die hatte etwas verschluckt und drohe zu ersticken. Auf dem Weg zum Krankenhaus waren die Straßen sehr schlecht. Durch das Auf und Ab kam der Gegenstand ganz von allein wieder zu Tage und die Familie musste den Arzt nicht bezahlen."

Ein weiteres Mal blieb der Bus liegen. Der Fahrer startete den Motor, doch der Bus fuhr nicht los. Plötzlich sprangen einige Männer auf und stiegen aus, Niclas folgte ihnen. Der Bus begann vor und zurück zu schaukeln und...fuhr schließlich los! Er wurde langsamer und der Fahrer ließ die starken Helfer einsteigen, die unser Gefährt aus dem Loch geschoben hatten.

So fuhren wir weiter durch die streckenweise atemberaubende Landschaft Kameruns. Hinter Duala noch flach und tropisch, geprägt von Banaen- oder Papayaplantagen, wird das Landschaftsbild bald hügeliger, aber nicht weniger grün und fruchtbar. Irgendwann erreicht man eine hohe Hügelkette. Als unser geschundener Bus sich dort hinauf kämpfte, hoffte ich inständig, er möge nicht liegen bleiben. Nicht jetzt mitten auf dem Berg, weit entfernt von jeder Ortschaft. Doch alles ging gut und nun schienen wir im wörtlichen und übertragenen Sinne "über den Berg" zu sein, denn der Rest der Fahrt verlief relativ problemlos mit nur noch wenigen Ausfällen. Der Blick aus dem Fenster zeigte nun, wie der große, helle Vollmond über der hügeligen und mittlerweile viel schrofferen Landschaft aufging. Weniger dichter Wald, kühle Luft, große Gesteinsbrocken hier und da, aber auch majestätische Wasserfälle.
Das alles sagte uns, dass wir uns unserem Zuhause näherten. Das war auch Zeit, denn es wurde schon dunkel.

Kurz vor Bamenda hier der Bus in einem kleinen Ort, um eine Frau aussteigen zu lassen. Es gab einen großen Tumult im Bus, viele Menschen regten sich auf und schrien sich an. Ich verstand nicht so ganz wieso. Die Anspannung der Fahrgäste war in der Luft zu spüren. Alle wollten nur noch endlich ankommen.

Um sieben Uhr abends erreichten wir endlich den Busbahnhof von Bamenda.
Steif vom vielen Sitzen nahmen wir ein Taxi nach Hause und kurze Zeit später fiel ich totmüde in mein Bett. Obwohl ich so früh im Bett war, habe ich heute morgen meinen Wecker verschlafen.
Diese Reise war wirklich unnormal anstrengend und nervenstrapazierend.

Das unangenehmste an der ganzen Sache ist, dass sie den Bus morgen wieder im Reiseverkehr einsetzten werden.
Wer in Kamerun reisen will, braucht wirklich Nerven aus Stahl!

Sonntag, 10. November 2013

Heiraten auf kamerunisch

Es ist Samstagmorgen und in der Luft liegt diese feierliche Stimmung, die immer vor großen Festen aufkommt. Wir machen uns schickt für die Hochzeit von unseren Nachbarn Avitus und Quinta. Rechtlich und traditionell sind die beiden schon seit 2 Jahren verheiratet, nun steht die kirchliche Hochzeit an. Traditionell heiratet man in Kamerun in seinem Heimatdorf, doch wir hatten leider noch nicht das Glück so eine Hochzeit zu besuchen.

Jetzt geht es erstmal auf zur Kirche, denn um 9 beginnt der Gottesdienst.


















Niclas wird den Chor mit seinem Saxophon unterstützen. Die ca 20 jungen Leute in ihren weißen Hemden und roten Röcken stehen an Keyboard, Trommeln und zum Singen bereit und warten darauf, dass die Braut die Kirche betritt.


Die großen Türen öffnen sich und der Chor beginnt zu singen. Die Prozession mit dem Brautpaar an der Spitze tanzt den Gang entlang zum Altar um dort diverse Gaben abzulegen. Mehrere Hühner werden in Körben gebracht.
Danach setzten sich alle und die Zeremonie beginnt.

Der eigentlichen Hochzeit ist Quintas Übertreten von der Presbyterianischen zur Katholischen Kirche vorangestellt. Jetzt steht der Heirat nichts mehr im Wege!
Als die beiden ihre Versprechen ablegen und die Ringe tauschen bin ich richtig gerührt. Alles ist sehr feierlich und die gesamte Kirche steht, während die beiden den Bund für´s Leben schließen. Die Stimmung wird aufgelockert von einem kleinen Patzer des Priesters: er spricht Avitus Namen falsch aus und der ganze Raum lacht.
Nachdem die Ringe getauscht sind, stielt sich Avitus einen kurzen Kuss von seiner Frau, was bei allen Gästen euphorisches Jubeln und Klatschen auslöst.


Nun, da Avitus und Quinta auch im kirchlichen Sinne Mann und Frau sind, verlassen alle unter Singen, Tanzen und Klatschen die Kirche.
Draußen werden auf den Treppen vor der Kirche viele Fotos gemacht.


Das Brautpaar mit der kleinen Tocher Tracy.

Auf diesem Fotos sieht sind die Eltern von Quinta zu sehen. Ihr Vater ist der Chef seines Dorfes und so typisch für die Nord-West-Region Kameruns, wie niemand sonst, den wir bis jetzt getroffen haben. Das Auffälligste an ihm ist natürlich das traditionelle Gewand aus einem samtigen Stoff. Auf seiner Tasche, die nur für Männer gedacht ist, ist ein traditionelles Glockeninstrument abgegildet. Auch seine Kappe, eine "county cap" ist typisch für einen nord-west-kamerunischen Village Boss.
Unter seinem Gewand trägt er schwarze Lackschuhe mit grauen, hochgezogenen Socken :D

Die Rede, die er zu Eheren des Brautpaares später hält, beginnt er mit den Worten:

"Also zu erstmal muss ich eins sagen: Ich lebe polygam. Quinta ist die Tocher meiner zweiten Frau und..."

Wir sind etwas irritiert, dass er sowas auf der Hochzeit seiner Tocher betont, doch Polygamie gehört nun mal zur kamerunischen Tradition. Die "Fons", also die regionalen Chefs (man könnte es auch mit Fürst übersetzten), haben teilweise 40 Frauen mit unzähligen Kindern, weil jeder Fon die Frauen seines Vaters "erbt" und für sie sorgen muss.



Die Eltern von Avitius stehen typisch für eine dörfliche kamerunische Familie. Sie betreiben eine relativ große Farm in den infrastuckturell überhaupt nicht erschlossenen Gebieten rund um Bamenda. Die Mutter trägt das typisch kamerunische Kleidungsstück "Kabba" in einer sehr festlichen Ausführung.


Dieses Foto zeigt uns mit unseren Nachbarn, die unsere Lieblingsbar auf der anderen Straßenseite betreiben. Kajetan hat Biologie studiert und arbeiet dreimal die Woche als Lehrer, doch da das nicht zum Leben reicht, wenn man drei kleine Kinder hat, machten die beiden eine kleine Bar auf.

Leider habe ich noch kein so schickes kamerunisches Kleid wie Nora und Caro, sondern nur ein knallbuntes "Kabba", doch das war leider nicht fein genug für eine Hochzeit.

Nach den Fotos gehen alle in eine Festhalle neben der Kirche wo ein buntes Programm aus Reden von den Eltern, Tanzen und Singen auf uns wartet. Zum Schluss wird feierlich die Hochzeitstorte angeschnitten. Etwas verwundert sind wir über das Plastikbrautpaar auf der Torte, das wie ihr sehen könnt weiß ist, aber da die Torte lecker schmeckt, macht sich keiner darüber Gedanken.


Im Anschluss wird gegessen. Das Buffet ist riesig und es gibt alle erdenklichen kamerunischen Speisen: Fufu Corn (ein Kloß aus Maisbrei) mit NJama NJama (spinatartiges Gemüse), Achu (Yamsbrei (Yams sind so ähnlich wie Kartoffeln) gemischt mit Kangwa-Bananabrei) mit roter Sauce (Bananenschalen werden in Öl gekocht, so wird die Sauce rot) und Rinderhaut (überhaupt nicht meins! Ihh! ), Jellof Rice (Reis mit Gemüse) und Kochbananen mit N´Dole (Paste aus bitteren Blättern und Erdnüssen).

Eine Weile halten wir uns noch in der Halle und auf dem Vorplatz auf, reden mit Gästen, machen Fotos oder spielen mit der kleinen Tracy.


Gegen Abend macht sie die Hochzeitsgesellschaft auf zum Haus der frisch getrauten, um dort noch ein paar gesellige Stunden zu verbrigen. Wir sitzen im Wohnzimmer und Innenhof, lernen viele Freunde des Brautpaares kennen und trinken mit ihnen White Mimbo (Palmwein: schmeckt für mich ein wenig nach vergorenen Früchten), Sha (Maisbier: schmeckt nach diesen kleinen, süßen Maiskölbchen aus der Dose) und kamerunisches Bier.

Der richtige Kameruner trinkt seinen White Mimbo natürlich aus einem Horn, wie unser Barkeeper Kajetan hier unten (zweiter von rechts).


Zum Schluss bekomme ich dann noch ein Foto mit der Braut und ihrem Vater, dem Village Boss.
So klingt ein eindrucksvoller, lustiger und seeehr kamerunischer Tag langsam aus.


Kum Lei Mar nach Deutschland!