Mittwoch, 11. Dezember 2013

Audienz beim König

Als wir an diesem Nachmittag auf dem Vorplatz des Palastes stehen, sind die Vorbereitungen für die Feier schon fast abgeschlossen. Menschen versammeln sich um zu zusehen, teilzunehmen, zu helfen. Der Anlass? Der alte Fon ist im Alter von 85 Jahren gestorben. Einer seiner Söhne ist zum neuen Fon auserkoren worden und wird nun 3 Wochen lang gefeiert und im Amt begrüßt. Was ein Fon ist? Fons sind die regionalen Chefs oder auch traditionellen Könige etwa landkreisgroßer "Königreiche". In früheren Zeiten war ganz Kamerun unter solchen Chefs aufgeteilt, heute gibt es sie nur noch im Westen Kameruns und auch ihre Macht ist eingeschränkter als früher. Und doch wird ihnen bis heute sehr großer Respekt entgegen gebracht. Kein Kameruner würde dem Fon wiedersprechen.


Wir gehen auf den Eingang zu und dort ist eine Bühne aufgebaut. Etwas hilflos sehen wir uns nach Madame Ngorang um. Sie ist die Direktorin der Vorschule, in der Nora im Moment arbeitet, und hat uns eingeladen heute zum Palast zu kommen, da sie eine der zahlreichen Töchter des alten Fons ist.
 Fons haben traditionell viele Frauen zur selben Zeit. Die erste Frau wird ihm "geschenkt" und danach kann er so viele Weitere heiraten, wie er will und bezahlen kann. Der Fon muss nämlich für jede seiner Frauen Haus und Lebensunterhalt gewährleisten, ebenso für jedes seiner Kinder, die, entsprechend der Anzahl der Frauen, sehr zahlreich sein können.
"Wie viele Geschwister hast du?", hatte Nora Madame Ngorang gefragt. "Keine Ahnung, ich kann sie nicht zählen. Es sind zu viele.", war ihre Antwort gewesen mit einem Schulterzucken und einem Lachen.
Polygamie gehört zur kamerunischen Tradition. Früher hatte jeder Mann, der etwas auf sich hielt, mehrere Frauen. So demonstrierten sie ihre Stärke und vor allem ihren Reichtum. Doch nur ein Fon kann es sich leisten 15 Frauen zu haben und zu ernähren (so viele hatte der alte Fon).
Heute kommt Polygamie in Kamerun allerdings nur noch in der jetzigen Großelterngeneration vor oder im wenig entwickelten Norden des Landes. Die meisten Kameruner lehnen diese Praxis der Ehe strickt ab und es gibt auch Fons, die nicht mehr als eine Frau heiraten wollen.

Der neue, junge Fon "erbt" die Frauen seines Vorgängers und muss weiterhin für sie sorgen. Ein neuer Fon muss übrigens nicht zwingend der erstgeborene Sohn sein, sonder derjenige, der am besten in das Amt passt.

Plötzlich kommt eine kleine, ältere Frau in einem gelbgrünen Kabba (traditionelles, weites Kleid) winkend auf uns zu. Es ist Noras Direktorin und wir begrüßen sie, indem wir die Hand, die wir ihr geben, mit der linken am Ellenbogen berühren. Die Geste zeigt ihr unseren Respekt.

Schnurschracks führt sie uns zu ein paar Plastikstühlen links neben einem abgesperrten Bereich auf der Bühne. Sie platziert uns auf diesem Podium in der ersten Reihe direkt neben dem Bürgermeister von Bamenda 3. Er ist unter anderem zuständig für den Stadtteil "Nkwen", in dem wir uns grade befinden und in dem wir auch wohnen. Was für eine Ehre für uns, die besten Plätze zugewiesen zu bekommen. Erst haben wir Angst, es wäre nur, weil wir Weiße sind, doch später erfahren wir, dass man allen Gästen solche großen Ehren entgegenbringt. 

"Wenn der Fon aus dem Palast kommt, stehen alle auf, um ihm Repekt zu zollen. Wenn er sich setzt, dürft ihr euch setzen. Wenn er wieder aufsteht, steht ihr mit auf.", lautet die letzte Anweisung von Madame Ngorang, bevor sie zurück zu ihren Schwestern eilt, um ihren Platz unter den Prinzessinen wieder einzunehmen. 


Dort sitzen sie in einer Reihe, junge bis sehr alte Töchter des Fons und alle mit gelben Kabbas und geschorenen Haaren. Die Glatze haben sie sich als Zeichen der Trauer und der Ehrerbietung nach dem Tod ihres Vaters machen lassen.

Dann verstummt plötzlich die Musik, die bis eben aus den großen Lautsprechern vor der Bühne drang, und alle erheben sich. Der Fon betritt mit seiem Gefolge den Platz, schreitet zur Bühne und setzt sich auf seinen großen, hölzernen Thron.

Ein Moderator kündigt per Mikrofon an, dass verschiedene traditionelle Tanzgruppen dem Fon mit ihren Darbietungen ihre Ehre erweisen wollen. 
Eine Gestalt rennt über den Platz bis vor die Absprerrung vor der Bühne, stellt einen hölzernen Elefanten vor sich ab, stützt sich auf ihren Gehstock
und verbeugt sich tief.


In dieser Position sehen wir sehr genau die Maske, die der Mann trägt.
Er ist ein Gugu.

Gugus sind im traditionellen Glauben Geister, die in der Landschaft und der Natur leben, jedoch auch gestalt annehmen können. Jeder Gugu hat seine eigene Persönlichkeit und verärgert man einen von ihnen, kommt er zu einem nach Hause und macht, dass es einem schlecht geht. 

So wie die Gugus ihre bestimmten Charaktereigenschaften haben, müssen auch die Tänzer, die eines dieser Wesen verkörpern, die selben Eigenschaften haben. Für jeden Gugucharackter wird ein passender Tänzer ausgesucht und dieser tanzt nur noch den einen Geist für den Rest seines Lebens. Es gibt auch Gugus, die nicht "besetzt" sind, da kein Tänzer den Anforderungen entsprach.

So verschieden wie die Gugus sind auch die Köstüme und Masken, die die Tänzer tragen.






Diese hier haben eine wolfsähnliche Gestalt angenommen.





Diese sind Vögel (in der Mitte)

oder sogar Elefanten (vorne rechts)





Andere sehen dann tatsächlich aus wie Geister mit weit aufgerissenen Augen und offenen Mündern.








Im Hintergrund der letzten Bilder konntet ihr schon einen Blick auf die bunten und wild gemusterten Gewänder der Männer erhaschen. Einfabige oder gar schwarze afrikanische Stoffe gibt es praktisch nicht. Doch die traditionellen Gewänder speziell aus dem Nordwesten Kameruns sind nur die schwarz-weiß-orange-grünen Mäntel, wie diese Herren sie tragen.


Auf dem Kopf trägt man hier die traditionelle "Country Cap".
Es gibt sie in allen Formen und Farben, von schlicht schwarz-weiß bis groß, bunt und voller Fransen.
Die aufwendigeren Kappen stellen häufig starke Tiere dar, wie Elefanten, deren Kraft durch die Kappe auf den Träger übergeht. 

Wer errät, welches Tier dieses tanzende Kollege verkörpert?


Eine der Gruppen tanzt bis vor die Absperrung nach vorne und verbeugt sich immernoch tanzend.
Der Fon ist so entzückt von ihrer Darbietung, dass er aufsteht und mittanzt. Er tanzt mit! Das ist eine ziemliche Ehre für die Tanzgruppe. Für uns bedeutet das: Stehen, bis der Fon sich wieder setzt.


Die nächste Gruppe kommt mit Gewehren. Sie präsentieren sie erst tanzend, dann schießen sie in die Luft. Die alten Flinten rauchen ordentlich und machen noch mehr Lärm. 


Jedes Mal, wenn eine Gruppe Gewehre dabei hat und zu Ehren des Fons schießt, steht er auf (wir also auch - es ist ein ewiges Auf und Ab), nimmt sein Gewehr und schießt genau so oft in die Luft, wie seine Untertahnen es eben getan haben.

  

Auch der Bürgermeister erwidert die Schüsse und schon bald pfeifen uns ordentlich die Ohren von dem ständigen ohrenbetäubenden Knallen.


Anderthalb Stunden lang tanzen die verschiedensten Gruppen vor.
Eine Frauengruppe fällt uns in´s Auge, weil sie so fröhlich mit ihren bunten Staubwedeln wedeln.


 Einige Tänzer haben die traditionelle Form des Wedels dabei: Ein Strang aus Tierhaaren mit einem bunten Griff.
Dieser wird schwungvoll herumgewedelt oder sich sanft auf die Schulter gehauen.
Dieser Gegenstand soll Macht symbolisieren.


Als es langsam dunkel wird, verlässt die letzte Gruppe die Tanzfläche. Der Fon erhebt sich mit seinem Gefolge und verschwindet im Palast.
 Langsam verstreuen sich die Menschen. Morgen werden sie wieder kommen. 3 Wochen lang, jeden Tag ein Fest für den neuen Fon!

Zum krönenden Abschluss eine Rahrität:
Ein Bild vom Fon aus nächster Nähe!