Montag, 18. November 2013

Nerven aus Stahl

Wenn etwas schief geht, dann geht gleich alles schief. Man kennt das ja.
Gestern bekamen wir das volle Programm an Dingen zu spüren, die schief laufen können, wenn man in Kamerun mit öffentlichen Fernbussen reist.
Ein prägendes Erlebnis.



Wir hatten das Wochenende in Duala, der schhwülheißen Wirtschaftsmetropole des Landes, verbracht, um ein Seminar zu besuchen. Am Sonntagmorgen wollten wir früh hoch, damit wir uns um 6 Uhr ein Ticket für einen der kompfortalbleren aber auch geringfügig teureren Busse kaufen könnten. Leider versagte der Wecker und so rüttelte mich Nora um 6.20 Uhr wach: "Annelie, aufstehen, wir haben verschlafen!"
Schnell im Halbschlaf alle Sachen zusammengepackt und dann auf dem Motorradtaxi durch die erwachenden Straßen von Duala bis zum Busbahnhof. Dort angekommen - es war s7.00 Uhr - mussten wir feststellen, dass alle Plätze in den kompfortablen Bussen bereits belegt waren. Die nächste Abfahrt eines der "normalen" Busse, war in drei Stunden.
Jetzt hieß es also warten und erstmal in Ruhe frühstücken.

Gegen 10.00 begann der Busfahrer auf einmal wie wild zu hupen.
"Ohh man, was soll das denn?", meine müden Ohren konnten solchen Krach nur schwer ertragen. "Ich glaube, er will, dass wir einsteigen", erklärte Niclas und so suchten wir unsere nebeneinanderliegenden Plätze im Bus. Eine halbe Stunde dauerte es noch, bis der Bus sich bewegte. Alle Insassen waren bereits komplett durchgeschwitzt, wegen der stickigen Hitze, die ohne den Wind von draußen noch erdrückender wurde. Ein Baby direkt hinter mir schrie sich die Seele aus dem Leib. Ihm war offensichtlich viel zu heiß, doch was sollte die Mutter tun?
Endlich rollten wir vorwärts. Einen Meter, zwei Meter, stopp.
Der Busfahrer sprang aus seiner Kabine und legte sich halb unter den Bus. Kurze Zeit später hieß es:" Alle raus! Reifenpanne."

"Das hätte ja auch nicht schonmal früher auffallen können, oder?", schienen alle Fahrgäste zu denken. Aber es änderte ja doch nichts und so warteten wir eine weitere Stunde, bis der Bus startklar war.
Als der Busfahrer zum zweiten Mal alle Tickets kontrollieren wollte, gab es einen riesigen genervten Aufschrei. Fahrgäste beschwerten sich, sie würden nicht noch mehr Zeit vergeuden wollen und endlich losfahren. Ich konnte ihren Ärger gut verstehen.

Nach kurzer Zeit fuhren wir tatsächlich los. Fast drei Stunden lang kamen wir zügig vorann und der Busfahrer trat ordentlich auf´s Gas, um die entstandene Verspätung wieder rauszuholen. Das Kind hinter mir schlief jetzt ruhig im kühlen Fahrtwind.
Es wäre wohl zu einfach gewesen, wären wir nun ohne weiteres nach Bamenda gekommen...
Plötzlich wurde der Bus langsamer und hier schließlich mitten auf der Landstraße an. Der Motor war einfach ausgegangen. Der Busfahrer versuchte ihn neu zu starten, doch er sprang nicht an. Ein lautes Rattern war zu hören und neben unserem Fenster stieg schwarzer Rauch auf. "Oh nein, das sieht gar nicht gut aus." Wir hatten alle die selbe Angst: Stundenlang in der Pampa in der Hitze zu stehen und auf irgendeine Hilfe zu warten. Unglücklicherweise waren wir in diesem Moment von beiden größeren Städten - Duala und Bamenda- genau drei Stunden entfernt. Ich war mir sicher, dass der gesamte Bus in diesem Moment Stoßgebete zum Himmel sendete.
Nach einiger Zeit hatte der Busfahrer eine neue Taktik entwickelt. Er fuhr langsam rückwärts den sanften Hügel hinunter, auf dem wir uns befunden hatten. Eine tollkühne Aktion, wenn man bedenkt, dass der Bus anstelle einer Heckscheibe eine schwarze Wand und dazu nur zwei winzige Rückspiegel besaß, von denen einer zersprungen war.
"Ich hab Angst", sagte ich zu den anderen, als wir an dem kurzen aber steilen Abhang neben uns entlangmanövrierten. "Wieso tut er das?", wollte Caro wissen.
Dann wurde es klar: Als wir ein waagerechtes Stück Straße erreicht hatten, startete der Busfahrer einen neuen Versuch, sein Fahrzeug ebenerdig zum Laufen zu bringen. Der Motor heulte lauf auf. Der gesamte Bus ruckelte so stark, dass wir auf unseren Sitzen hin und her tanzten. Und dann: Fuhr der Bus los.
Was für eine Erleichterung! Zuerst kamen wir zwar nur sehr langsam voran, doch der alte, den Beschriftungen auf den Fenstern nach zu urteilen aus Frankreich stammende Bus schaffte den Hügel. Wir blieben jetzt zwar alle paar Kilometer einmal liegen, doch ich war zufrieden, solange es überhaupt voran ging. Die Leute um uns herum scherzten:"Das Geruckel hat auch gute Seiten: Wenn du hochschwanger auf dem Weg zum Krankenhaus bist, kannst du bei dem Geschaukel dein Baby gleich im Bus kriegen." "Einmal gab es ein Mädchen, die hatte etwas verschluckt und drohe zu ersticken. Auf dem Weg zum Krankenhaus waren die Straßen sehr schlecht. Durch das Auf und Ab kam der Gegenstand ganz von allein wieder zu Tage und die Familie musste den Arzt nicht bezahlen."

Ein weiteres Mal blieb der Bus liegen. Der Fahrer startete den Motor, doch der Bus fuhr nicht los. Plötzlich sprangen einige Männer auf und stiegen aus, Niclas folgte ihnen. Der Bus begann vor und zurück zu schaukeln und...fuhr schließlich los! Er wurde langsamer und der Fahrer ließ die starken Helfer einsteigen, die unser Gefährt aus dem Loch geschoben hatten.

So fuhren wir weiter durch die streckenweise atemberaubende Landschaft Kameruns. Hinter Duala noch flach und tropisch, geprägt von Banaen- oder Papayaplantagen, wird das Landschaftsbild bald hügeliger, aber nicht weniger grün und fruchtbar. Irgendwann erreicht man eine hohe Hügelkette. Als unser geschundener Bus sich dort hinauf kämpfte, hoffte ich inständig, er möge nicht liegen bleiben. Nicht jetzt mitten auf dem Berg, weit entfernt von jeder Ortschaft. Doch alles ging gut und nun schienen wir im wörtlichen und übertragenen Sinne "über den Berg" zu sein, denn der Rest der Fahrt verlief relativ problemlos mit nur noch wenigen Ausfällen. Der Blick aus dem Fenster zeigte nun, wie der große, helle Vollmond über der hügeligen und mittlerweile viel schrofferen Landschaft aufging. Weniger dichter Wald, kühle Luft, große Gesteinsbrocken hier und da, aber auch majestätische Wasserfälle.
Das alles sagte uns, dass wir uns unserem Zuhause näherten. Das war auch Zeit, denn es wurde schon dunkel.

Kurz vor Bamenda hier der Bus in einem kleinen Ort, um eine Frau aussteigen zu lassen. Es gab einen großen Tumult im Bus, viele Menschen regten sich auf und schrien sich an. Ich verstand nicht so ganz wieso. Die Anspannung der Fahrgäste war in der Luft zu spüren. Alle wollten nur noch endlich ankommen.

Um sieben Uhr abends erreichten wir endlich den Busbahnhof von Bamenda.
Steif vom vielen Sitzen nahmen wir ein Taxi nach Hause und kurze Zeit später fiel ich totmüde in mein Bett. Obwohl ich so früh im Bett war, habe ich heute morgen meinen Wecker verschlafen.
Diese Reise war wirklich unnormal anstrengend und nervenstrapazierend.

Das unangenehmste an der ganzen Sache ist, dass sie den Bus morgen wieder im Reiseverkehr einsetzten werden.
Wer in Kamerun reisen will, braucht wirklich Nerven aus Stahl!